Passionsandacht vom Di. 7. April. „Seht welch ein Mensch“

(in Anlehnung an eine Andacht von Pfr. Sabine Bäuerle)

O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn,
o Haupt, zum Spott gebunden mit einer Dornenkron,
o Haupt, sonst schön gezieret mit höchster Ehr und Zier,
jetzt aber hoch schimpfieret: Gegrüßet seist du mir!

In der Passionszeit stellt sich unser Blick auf den Leidensweg Jesu ein. Das ist die alte Tradition der besonderen Andachten in diesen Wochen. Dabei soll uns heute ein Wort aus der Passionsgeschichte der Evangelien leiten. „Seht, welch ein Mensch“. Das ruft der römische Statthalter Pilatus aus, als ihm der gefolterte Jesus vorgeführt wird. „Seht, welch ein Mensch“: dieser Ausruf richtet das Augenmerk, besonders in der Karwoche, auf den geschundenen Körper Jesu, auf den von Schmerzen gequälten Leib Christi. Der verwundete Körper Jesu, der Leib Christi auf dem Weg zum Kreuz.

Du edles Angesichte,
davor sonst schrickt und scheut
das große Weltgewichte:
wie bist du so bespeit,
wie bist du so erbleichet!
Wer hat dein Augenlicht,
dem sonst kein Licht nicht gleichet,
so schändlich zugericht‘?

Im Neuen Testament ist auch von uns als Gemeinde, die Rede vom Leib Christi. „Ihr seid der Leib Christi“ sagt Paulus den ersten Christen. Ihr seid der Leib Christi mit den vielen Gliedern, die zusammengehören und sich ergänzen: diese Beschreibung gilt uns. Was für eine Vorstellung vom Leib haben wir wohl vor Augen, wenn wir so von der Gemeinde reden? Einen gesunden, fitten Körper mit junger Haut und kräftigen Muskeln, möglichst groß und stark? Einen heilen Körper ohne Behinderungen, ohne Wunden und Narben? Der Leib Christi aber war: verletzt, verwundet, gezeichnet. Was bedeutet das, wenn wir die Gemeinde als Leib Christi und uns selber als Teil dieses Leibes mit diesem Blick sehen, mit dem Blick auf den leidenden Leib?

Ihr seid der Leib Christi. – Ein verwundeter Leib ist keine heile Welt. Da gibt es schmerzende Glieder, Zerrungen, Schwielen. Da gibt es blutige Wunden und manchmal heillose Schmerzen. Und doch ist dieser Leib lebendig. Ihr seid der Leib Christi. – Wenn wir diesen Leib so sehen, in seiner Passionsgestalt sozusagen, dann wird sichtbar: es gibt Prozesse, die weh tun und schmerzhafte Erfahrungen im Leben als Leib Christi und für die einzelnen Glieder. Es hilft nichts, sie wegzureden. Es hilft vielmehr, sie zu benennen, sagen zu können, was weh tut und die Schmerzen zu beklagen. Sie sind unumgänglich, sie gehören zum Leben dieses Leibes. Und sie können sogar heilsam sein. Ihr seid der Leib Christi. – Das Zusammenspiel der Glieder an diesem Leib kann schmerzen. Es läuft nicht unbedingt alles wie geschmiert. Es gibt Reibungen und Brüche und Verletzungen. Und damit kann dieser Leib leben. Denn wir sind der Leib Christi. – Da sind nicht die einen Glieder nur fit und gesund und integrieren dann großmütig die behinderten unter den anderen Gliedern. Alle haben Teil an den Verletzungen des Leibes, alle sind angeschlagen oder verschlissen. Und sind doch genau so der lebendige Leib Christi. Und darum gilt: „Jeder Teil unseres Körpers ist unserm Gott heilig, denn Jesus blieb nicht im Grab. Die Auferstehung kommt und an ihr hat die Gemeinde Anteil und darf durch sie leben und heil werden.

Ich will hier bei dir stehen,
verachte mich doch nicht;
von dir will ich nicht gehen,
wenn dir dein Herze bricht;
wenn dein Haupt wird erblassen
im letzten Todesstoß,
alsdann will ich dich fassen
in meinen Arm und Schoß.

„Seht welch ein Mensch“ im Leid und beim Tragen der Sünde der Welt und „Seht welch ein Mensch“ bei der Auferstehung und der Vergebung der Sünde der Welt!

Amen!

Ana Kadira

Erscheine mir zum Schilde,
zum Trost in meinem Tod,
und lass mich sehn dein Bilde
in deiner Kreuzesnot.
Da will ich nach dir blicken,
da will ich glaubensvoll
dich fest an mein Herz drücken.
Wer so stirbt, der stirbt wohl.

Lied: CCLI-Lizenz 2161623