Bangemachen gilt nicht: von der Verantwortung im Glauben
Wem viel gegeben ist,
bei dem wird man viel suchen;
und wem viel anvertraut ist,
von dem wird man umso mehr fordern.
(Lukas 12,48b)
Unser Wochenvers schließt ein Gleichnis von Jesus ab, in dem er von einem Hausherrn und seinen Knechten spricht (Lukas 12,35-48). Der Hausherr kann jederzeit überraschend von einer Reise zurückkommen. Die Frage ist, ob seine Knechte darauf vorbereitet sind. Dies soll ein Bild sein über die Wiederkunft Jesu, die auch überraschend sein wird. Wie sind wir als seine NachfolgerInnen darauf vorbereitet? Und die richtige Vorbereitung umfasst nicht nur Wachsamkeit oder Aufmerksamkeit. Sondern es geht auch darum, in der Zwischenzeit verantwortlich die zugewiesenen Aufgaben wahrzunehmen. Wachsamkeit und Verantwortung ist gefragt.
Wenn nur Wachsamkeit das Thema ist, dann hat das oft mit viel Furcht zu tun. So wurde früher meistens über die Wiederkunft Jesu nachgedacht. Furcht vor einem katastrophalen Ende der Welt. Apokalypse now. Mit unheilschwangerem Unterton konnte dann von der ‚Endzeit‘ geraunt werden. Und es fällt sehr unterschiedlich aus, woran sich die Endzeitstimmung festmacht – je nach aktueller Weltlage oder der Einstellung der Unheilspropheten. Und dazu gesellt sich dann noch eine weitere Furcht, die Angst vor dem Gericht Gottes. Am Ende der Zeit werden die großen Bücher geöffnet, in denen jede noch so kleine Sünde genau verzeichnet ist. Und dann rechnet Gott ab. Oder Jesus als der Richter mit dem scharfen Schwert des Wortes wird die Vergangenheit sezieren. Also: Kopf einziehen, unauffällig verhalten und besser nicht drüber nachdenken!
Wenn wir die Bibel ernst nehmen, dann müssen wir ganz sachlich feststellen, dass es durchaus und eindeutig die Aussicht auf das Gericht Gottes gibt. Es wird den „Tag des Herrn“ geben, an dem sich die Menschen vor Gott verantworten müssen. Das ist natürlich eine Aussage, die nur ein gläubiger Mensch so treffen wird. Und deswegen kann auch nur uns die Frage interessieren, wofür wir uns als NachfolgerInnen Jesu eigentlich werden verantworten müssen? (Wie Gott mit den Menschen umgeht, die sich ihm in dieser Zeit und Welt nicht anvertraut haben, das können wir getrost ihm überlassen.)
Wenn wir das Gleichnis lesen, dann fällt auf, dass die Knechte unterschiedliche Aufgaben zugewiesen bekommen haben. Entscheidend ist, ob sie verantwortlich mit ihren Aufgaben umgegangen sind. Und es scheint, als wenn die Hauptaufgabe darin besteht, anderen das zukommen zu lassen, was sie brauchen, was ihnen zusteht (V.42+45). Wir können auch sagen: In der Zeit der Abwesenheit des Hausherrn sind die Knechte wachsam und aufmerksam, indem sie verantwortlich das tun, was der Hausherr auch getan hätte. Noch einmal anders gesagt: Sie sollen sich nicht mit der Angst vor der Zukunft aufhalten, sondern inmitten der Endzeit‘ so leben und handeln, wie es ihrem abwesenden Herrn entspricht.
Dazu wäre jetzt viel zu sagen: Wie lebt man denn konkret so, dass es Jesus entspricht? Da müsste auf das Doppelgebot der Liebe (Matthäus 22,36-40), die Bergpredigt (Matthäus 5-7) oder viele andere Worte Jesu hingewiesen werden. Und das Gute ist, dass unser Herr Jesus Christus nicht so grundlegend abwesend ist wie der Hausherr im Gleichnis. Sondern er begleitet und begabt uns durch seinen Heiligen Geist während der ‚Endzeit‘ – in der sich die Gemeinde seit Jesu Auferweckung und Himmelfahrt befindet.
Von unserem Wochenvers her will ich aber einen anderen Akzent setzen: Jesus fordert und erwartet sehr ernsthaft, dass wir unserer Verantwortung nachkommen. Wer sich Jesus anvertraut, der bekommt nicht nur viel für das eigene Leben geschenkt. Was ja schon mal sehr gut ist. Sondern er/sie bekommt damit auch viel für andere geschenkt. Unsere Verantwortung besteht nicht nur darin, irgendwie selbst über die Runden zu kommen. Sondern es schwebt die Frage Jesu im Raum: Was hast du gemacht mit dem, was ich dir gegeben habe, – für deine Mitmenschen, die Gesellschaft, die Schöpfung? Hast du deine Öllampe am Brennen gehalten (Lukas 12,35), damit andere in deinem Leben Gottes Liebe erkennen konnten? Jesus verlangt und fordert, dass wir uns mit dieser Frage auseinandersetzen. Und natürlich unser Leben entsprechend gestalten.
Das sind wir nicht mehr so richtig gewohnt, dass Jesus Forderungen stellt, Gehorsam ihm gegenüber verlangt. Zu Recht ist unsere Beziehung zu Gott nicht mehr von Angst oder Furcht geprägt. In Jesus hat Gott sich als der gute Vater im Himmel offenbart. Doch wir stehen in der Gefahr, auf der anderen Seite vom Pferd zu fallen: Dass Jesus etwas von uns verbindlich erwartet oder fordert, das kommt uns befremdlich vor. Wir setzen uns gerne im Reich Gottes ein – aber bitte nur freiwillig und im selbstbestimmten Rahmen. Gehorsam, auch wenn’s Opfer fordert? Nun, dass gehört nicht zu den Tophits unseres Glaubens.
In manchen christlichen Gemeinschaften oder Gemeinden wird die Sache mit dem Gehorsam ganz einfach mit dem großen „Du musst“ beantwortet. „Du musst dich so verhalten, wie es die Bibel sagt. Vertraue mir, ich weiß, was dazu in der Bibel steht. Und deswegen weiß ich auch genau, was für dich Gottes Wille in dieser Situation ist.“ In unserer Gemeinde pflegen wir einen anderen Umgangston miteinander, mit der Bibel und mit geistlicher Leitung. Wir verstehen uns als „Auslegungsgemeinschaft“. Das bedeutet, dass wir gemeinsam Bibel lesen, im Gespräch bleiben, unterschiedliche Antworten zulassen, unsere Welt in ihrer ganzen verwirrenden Vielfalt wahrnehmen wollen. Das ist mitunter mühsam, weil es eben keine schnellen und simplen Antworten gibt. Und es erwartet von jedem in der Gemeinde, dass sie/er persönlich betet, fragt, denkt, antwortet und Entscheidungen trifft und verantwortet.
Es könnte jemand den Wunsch haben: „Sag mir, wie ich in dieser Situation glauben soll.“ Die Antwort darauf wird sein: „Ich kann dir erzählen, wie ich glaube. Aber du musst selber deinen Weg mit Gott finden. Ich werde dir dabei zur Seite stehen. Wir können Bibel lesen, darüber reden und beten. Aber ich werde dir keine Vorschriften machen.“ Diese Freiheit in Christus ist uns ganz wichtig. „Zur Freiheit hat Christus uns befreit!“ (Galater 5,1) Immer wieder müssen wir uns entscheiden: Vertrauen wir darauf, dass Jesus mit jedem von uns im Gespräch ist, durch seinen Heiligen Geist seinen Willen offenbart? Oder müssen wir durch Vorschriften, Gesetze und Anweisungen unserem Herrn nachhelfen? Es ist einfach, jemandem ein schlechtes Gewissen zu machen. Es braucht Geduld und Gottvertrauen, wenn man damit rechnet, dass Jesus mit jeder und jedem in der Gemeinde auf dem Weg ist.
Deshalb will ich mit einem Appell schließen. Versuche doch mal im Gespräch mit Jesus, im Bibellesen und Beten – gerne mit anderen zusammen – den Willen Gottes für dich herauszufinden. Was erwartet und fordert Jesus von dir in dieser Zeit? Was hat er dir für andere anvertraut? Du lebst nicht nur für dich selbst, sondern sollst eine Magd, ein Knecht deines Herrn sein. In Wachsamkeit und Verantwortung.