Gottes Licht im Bildschirmglanz

Führt euer Leben als Kinder des Lichts!
Denn das Licht bringt als Ertrag
lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor.
(Epheser 5,8b.9)

Als Paulus die kurze Anweisung unseres Wochenverses geschrieben hat, hatte er nicht im Traum damit gerechnet, dass der auch noch nach knapp 2000 Jahren in aller Welt in hunderten von Sprachen gelesen und weitergesagt werden wird. (Wer’s genauer wissen will: hier findet sich eine aktuelle Bibel-Statistik.) Und noch weniger wäre er auf die Idee gekommen, dass die meisten Menschen seine Worte nicht auf Papyrus oder Pergament lesen werden, sondern digital von einem kleinen oder größeren Bildschirm. Ich sage manchmal zur allgemeinen Verwunderung, dass ich seit Tagen oder Wochen keine Bibel mehr zur Hand genommen habe. Tatsächlich lese ich in der Bibel täglich, aber ausschließlich per Smartphone oder auf dem Notebook. Moderne Zeiten.

Die digitalisierte Welt ist kein abgesonderter Bereich innerhalb des wirklichen Lebens. Vor 15 Jahren sind wir noch „ins Internet gegangen“. Da musste man den Computer hochfahren, sich einwählen (Wer erinnert sich noch an die Geräusche, die ein Modem von sich gibt?) und dann für teuer Geld gezielt irgendwelche Informationen einsammeln. Da hat man dann noch selbstverständlich ein Bibelbuch zur Hand genommen. Dann wurde es für junge bis jüngere Menschen zunehmend ein Teil des ganz normalen Alltags, immer mit ihren Freunden vernetzt zu sein. Und heute ist es höchstens noch eine Generationenfrage, wie oft und wie lange man das Handy zur Hand nimmt. Oder richtiger gesagt: Wie lange man es mal weglegt.

Ist unsere digitalisierte Welt das wirkliche Leben? Können wir die Aufforderung „Führt euer Leben als Kinder des Lichts!“ nur auf dem Display lesen oder müssen wir es auch „im Netz“ leben? Wir sind über die verschiedenen Chatprogramme Teil eines Netzwerkes von mehr oder weniger inten­siven Beziehungen. Da rauschen Textkürzel, Sprachnachrichten, Bilder, Emojis oder Videoschnipsel ununterbrochen mit durchs „Real Life“. Immer wieder kommt so etwas vor: Ich erinnere mich unscharf, dass ich doch von jemandem eine Nachricht bekommen hatte. Hatte ich so im Vorbeigehen auf dem Handy oder der SmartWatch weggewischt, weil ich gerade mit etwas anderem be­schäftigt war. Und so geht die Suche los: Signal? WhatsApp? ChurchTools? E-Mail? Und wenn es gar eine SMS war, kann die Suche dauern.

Dies alles ist ein wesentlicher Teil unseres Lebens geworden. Und die Herausforderung besteht darin, es nicht als das ganze Leben zu sehen. Beim Telefonieren gibt es immerhin ein echtes Gegenüber – wo doch jedes Gespräch ohnehin schon schwierig genug ist, wenn man sich wirklich begegnen möch­te. (Das gute alte Kommunikationsquadrat muss an dieser Stelle genannt werden.) Aber Textnachrichten sind einseitig. Wem ist das noch nicht passiert: Da tippt man eilig eine Message auf WhatsApp und weiß beim Versenden schon, dass man vorschnell aus dem Bauch reagiert hat. Es fehlt der Kontext, den sich der Empfänger irgendwie zusammenbastelt. Und das geht oft nicht gut aus. Jemand, der Schwierigkeiten mit mir hat, wird meine Message meistens falsch – und zwar bestimmt schlechter falsch – verstehen.

Auch wenn die Versuchung groß ist, es dennoch zu versuchen, kann man es gar nicht oft genug sagen: Persönliche Konflikte lassen sich niemals per E-Mail oder WhatsApp lösen. Im Gegen­teil, sie schaukeln sich in der Regel erst richtig auf. Ein geschriebener Text gaukelt einem zwar vor, ganz sachlich zu sein. Aber da für den Empfänger die wesentlichen Beziehungsebenen der Nachricht fehlen, kommt sie in einer Auseinandersetzung immer falsch an. Der Ton macht die Musik. Per
E-Mail kann man höchstens einen Termin für ein persönliches Gespräch vereinbaren.

„Denn das Licht bringt als Ertrag lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor.“ Wie gilt dieser Maßstab auch für WhatsApp, Insta, TikTok & Co.? Tut es den Menschen, die mit mir kommunizieren, gut für ihr Leben? Oder hinterlasse ich eine digitale Spur der Verwüstung? Wahrscheinlich ist es oft genug irgendetwas dazwischen. Es gibt hier also eine Reihenfolge: Jemand ist ein Kind des Lichts, also eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger Jesu, und führt ein ganz normales Alltagsleben. Dazu gehört heutzutage auch die digitale Existenz. Und das soll einen Ertrag haben, der Jesus entspricht: Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. Der Ertrag zeigt, ob wir Kinder des Lichts sind. Oder wie Jesus es sagte: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen!“ (Matthäus 7,15-20)

Ich möchte noch eine Ebene tiefer ansetzen: Die Folgen von meinem Reden und Tun zeigen, ob ich ein Kind des Lichtes bin. Da stellt sich doch die Frage, wie sehr prägt und bewegt mich diese Wirklichkeit, dass ich mit Jesus lebe, dass ich in Christus bin? Anders gesagt: Wenn Jesus meine Persönlichkeit durch seinen Heiligen Geist gestaltet, dann wird sich seine Liebe in meinem Leben zeigen. Und Jesu Liebe äußert sich durch Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. Ob ich mich unmittelbar mit jemandem unterhalte, oder ob ich digital unterwegs bin. Diese Wirklichkeit begleitet mich als Kind des Lichtes. Die Herausforderung besteht wahrscheinlich zuerst darin, Jesus nachzufolgen und ihm zu erlauben, die Persönlichkeit durch seinen Heiligen Geist zu prägen. Dass er mir seine Liebe ins Herz hineingießt. (Römer 5,5)

Gott sei Dank kommen wir nicht nur in der digitalen Welt zusammen, sondern wir haben die Möglichkeit zur analogen Begegnung über die Woche und am Sonntag im Gottesdienst. Wie gut, dass zum Beispiel am Mittwoch wieder das Sommercafé zur Begegnung einlädt. Oder einer der Hauskreise an verschiedenen Abenden. Und das Gemeindecafé nach dem Gottesdienst ist nicht nur eine nette Zugabe, sondern ein ganz wesentlicher Bestandteil unseres gemeinsamen Lebens.

Axel Schlüter