Warm ums Herz

Brannte nicht unser Herz in uns,
da er mit uns redete?
Lukas 24,32

Wie kommt jemand zum Glauben an Jesus Christus? Diese Frage beschäftigt uns immer wieder einmal, weil wir uns das als Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu für jeden wünschen. Besonders für die Menschen, die uns persönlich nahestehen. Die Variante dieser Frage lautet: Wie bleibt jemand gläubig? Weil wir es leider viel zu oft beobachten – und darunter leiden –, dass jemand durchaus mit Eifer für Jesus gestartet ist und irgendwann den Zugang verloren hat.

Dieser Prozess der Entfremdung geschieht selten als bewusster Schritt, sondern ist eher ein schleichender Übergang. Michael Herbst zitiert in seinem Buch Lebendig! Vom Geheimnis mündigen Christeins (1975): „Im »Tagebuch eines Landpfarrers« beschreibt Georges Bernanos das Leiden eines Priesters, der mit Schrecken wahrnimmt, dass sein Glaube seinem Leben nicht mehr Gestalt und Richtung gibt. »Nein, ich habe den Glauben nicht verloren. Der Ausdruck ›den Glauben verlieren‹, so wie man seinen Geldbeutel verliert oder einen Schlüsselbund, ist mir übrigens immer ein wenig albern vorgekommen … Man verliert nicht den Glauben, aber er hört auf, dem Leben Form zu geben. Das ist alles.«“

Der Glaube hört auf, dem Leben Form zu geben. Hatten der Gottesdienstbesuch oder die wöchentliche Jugendstunde das Leben in einen Rhythmus gegliedert, eine wichtige Struktur, fällt das weg. Vielleicht plötzlich bei einem Umzug in eine andere Stadt. Oder nach und nach im Rahmen vom Erwachsenwerden, Familie gründen, beruflicher Orientierung. Manchmal – leider immer noch viel zu oft – geschieht eine bewusste Abkehr, weil die Gemeinde oder fromme Leute aus ihrer religiösen Überzeugung heraus in moralischen Fragen eine richtende Herzenshärte statt der annehmenden Liebe Gottes zeigen. Eher selten geschieht die „Dekonversion“ (Glaubensverlust) aufgrund von grundsätzlichen theologischen Überlegungen.

Mittlerweile gibt es einige gründliche Untersuchungen zu dieser Wirklichkeit. Am bekanntesten dürfte das Buch von Tobias Faix, Martin Hofmann und Tobias Künkler sein: Warum ich nicht mehr glaube – Wenn junge Erwachsene den Glauben verlieren (2014). Sie listen detailliert und nach vielen Gesprächen die Gründe für diesen Vorgang auf. Und unterm Strich muss man wohl sagen, dass es nicht auf einen Nenner zu bringen ist. So unterschiedlich die Menschen sind, so unterschiedlich sind auch ihre Lebensgeschichten – mit Gott, ohne Gott, in der Gemeinde, aus der Gemeinde heraus.

Wie jemand zum Glauben kommt und dann auch in der Nachfolge Jesu bleibt, das ist ein Geheimnis. Dieses Geheimnis ist nicht zuerst in unserer Erfahrung, unseren Beobachtungen begründet. Weil wir also untersuchen und beschreiben können, wie vielfältig die Lebensgeschichten sind. Sondern es liegt zuerst am Geheimnis der Gabe Gottes. Der Glaube ist ein Geschenk Gottes, eine Offenbarung. Dass jemand zum Glauben kommt, kann man nicht machen, sondern man kann höchstens auf die Anrede Jesu antworten.

Damit kommen wir zu unserem Monatsvers. Er stammt aus der so genannten Emmaus-Geschichte. Du kannst sie in Lukas 24,13-35 nachlesen. Sie steht für viele ähnlichen Erlebnisse der Jüngerinnen und Jünger nach Jesu Auferstehung. Die Jünger begegnen dem Auferstandenen, kommen aber erst zum Glauben, als er sich ihnen aktiv offenbart.

Hier verbringen die beiden Jünger einen Großteil des Tages beim Wandern und Abendessen mit Jesus. Sie erzählen von den Geschehnissen rund um die Kreuzigung Jesu. Sie haben bereits im Kreis der Jesusjünger erzählt bekommen, dass das Grab leer sein soll (V.22-24). Und Jesus erklärt ihnen sogar die biblischen Zusammenhänge (V.25-27). Dennoch kommen sie nicht (!) zum Glauben. Gemeinschaft und biblisches Wissen allein führt nicht zum Glauben. Erst als Jesus sich ihnen als der Auferstandene offenbart, kommen sie zum Glauben (V.30-31). Und nun verstehen sie auch, warum ihnen so warm ums Herz wurde, als Jesus mit ihnen geredet hat (V.32). 

Was könnte das für uns bedeuten? Nun, eine herzliche Gemeinschaft und gründliche biblische Unterweisung sind enorm wichtig, ohne Frage. Es ist gut, wenn es dadurch Menschen warm ums Herz wird. Anders gesagt: wenn sie Liebe durch uns Christenmenschen erfahren und eine Chance zum Verstehen der biblischen Zusammenhänge geboten bekommen. Doch das macht noch keinen Glauben. Wir können nur Menschen einladen, auf die Anrede Jesus in ihrem Leben zu achten und zu antworten. Weil wir davon überzeugt sind, dass Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. (1. Timotheus 2,4)

Ob und wie Jesus als der Auferstandene sich heute einem Menschen offenbart, das können wir nicht festlegen oder bestimmen. Aber wir dürfen es erwarten und darum für jeden Menschen beten.

Axel Schlüter