Wenn Beten sich lohnen würde
Sorgt euch um nichts,
sondern bringt in jeder Lage
betend und flehend eure Bitten
mit Dank vor Gott!
Philipper 4,6
Hier und da habe ich es schon mal erzählt: Ich habe meine Jugendzeit westlich von Bonn verbracht, am Fuße der Eifel sozusagen. Und auch wenn ich Rheinländisch nur ansatzweise selber reden kann, reichte es damals doch aus, um die Texte der Kölschrockband BAP (Verdamp lang her 1981) auch ohne Wörterbuch kräftig mitzusingen. 1982 kam die LP Vun drinne noh drusse heraus mit dem Titel Wenn et Bedde sich lohne däät (hier mit hochdeutscher Übersetzung). Darin besingt Wolfgang Niedecken seine Zweifel am Sinn von Gebet und Glauben – und beweist zugleich eine durchaus beachtliche christliche Grundbildung.
Vielleicht beneide ich auch, die glauben können. Doch was soll’s, ich jage doch kein Phantom.
Gott, wäre Beten doch bloß nicht so sinnlos.
Denn oft denke ich, wir wären bald schon
an dem Punkt, wenn egal wird, wer Recht hat, wenn Beziehung und Kohle nicht zählen.
Wir sind alle zusammen auf dem Kreuzweg,
etwa da, wo man das dritte Mal fällt,
das dritte Mal fällt.
Es wäre spannend, diesen Psalm eines Zweiflers genauer anzusehen. Wie er zwar keinem „Phantom“ nachjagen will, aber trotzdem mit „Gott“ im Gespräch bleibt. Wie er Beten zwar für sinnlos hält – und er hat vorher gründlich aufgezählt, warum –, sich aber trotzdem mit dem Gekreuzigten auf seinem Leidensweg identifizieren kann.
In der Grundfrage, die dieses Lied aufzeigt, kann ich mich wiederfinden. Lohnt sich eigentlich das (Fürbitte-)Gebet angesichts des Leidens und der himmelschreienden Ungerechtigkeit überall auf dieser Welt? Ein Lichtblick wäre doch eine feine Sache, ein kleiner Beweis, dass nicht nur das oder der Böse einen Triumph nach dem anderen feiert. Sondern dass sich etwas zum Guten entwickelt, ein Krieg beendet wird, Menschen geholfen wird, Flüchtlinge ein sicheres Zuhause finden, Hungernde satt werden. Siehe Lukas 4,17-19. Und wenn es schon nicht im großen Zusammenhang geschieht, dann doch wenigstens im persönlichen Bereich, wenn es um Menschen geht, die einem am Herzen liegen.
Der Unterschied in dem Gebetsverständnis zwischen dem BAP-Song und unserem Monatsvers liegt dann nicht so sehr in der Berechenbarkeit von Gebet und Erfüllung. Soll heißen: wenn man nur darauf schaut, wie groß die Erfolgsaussichten von einem Gebet sind, dann können einem durchaus die Zweifel kommen und bleiben. Gebetserhörungen sind eben nicht berechenbar. Gott ist kein Automat.
Auch im Bibelwort wird nicht versprochen, dass mit Dank zu beten und flehen erhört wird. Sondern der Unterschied liegt dann tatsächlich in der Gottesbeziehung. Wer sich nicht sorgen will und stattdessen betet, der geht davon aus, dass das ganze Leben – mit oder ohne Gebetserhörung – von Gott umfangen ist. Das Beten ist eingebettet in das Vertrauen, den Glauben in Gottes Nähe, Zuwendung, Durchtragen und Begleiten. Im nächsten Vers lesen wir (Philipper 4,6-7):
Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in Christus Jesus bewahren.
Das ist keine Absage ans Verstehen, aber das schließt das Eingeständnis ein, nicht alles verstehen zu können. Und eben gerade darin im Frieden Gottes bewahrt zu bleiben. Uns wird nicht versprochen, das Geheimnis von Gebet und Erhörung gelöst zu bekommen. Wir werden weiter beten, zweifeln und oft genug im Nichtverstehen hilflos den Kopf schütteln. Aber wir werden ermutigt, darin mit dem Frieden Gottes zu rechnen, der unser Herz und Denken in Christus Jesus bewahrt.
Ob et Bedde sich lohne däät? Wahrscheinlich nicht, wenn wir nur eine Rechnung aufmachen. Aber ganz sicher, wenn es Ausdruck unseres Vertrauens ist, dass Gott uns und diese Welt trotz allem in seinen Händen hält. Und uns seinen Frieden schenkt, der die Kraft hat, unser Herz und Denken in Jesus zu bewahren.
Axel Schlüter