Schwierigkeiten

Mose sagte:
Fürchtet euch nicht!
Bleibt stehen und schaut zu,
wie der HERR euch heute rettet!

2. Mose 14,13

Unser Wochenvers ist natürlich aus einem größeren Zusammenhang aus der Bibel heraus­zitiert. Es geht um das Ereignis in der Geschichte Israels, was später unter dem Begriff „Exodus“ zusammengefasst wird. Gott befreit sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten und führt es in das ver­heißene eigene Land. Wir stehen gerade am Ufer des Schilfmeeres, Wasser vor uns, Wüste und das Heer des Pharaos im Rücken. Eine wirklich aus­sichtslose Lage. Auch wenn das Volk mit Freude und Zuversicht aufgebrochen war, jetzt machen sich berechtigte Zweifel breit. Sie werfen Mose vor: Haben wir dir in Ägypten nicht gleich gesagt: Lass uns in Ruhe! Wir wollen Sklaven der Ägypter bleiben; denn es ist für uns immer noch besser, Sklaven der Ägypter zu sein, als in der Wüste zu sterben. (2. Mose 14,12)

Nun könnten wir an dieser Stelle verschie­dene Fragen an den Textzusammenhang von
2. Mose 14 richten. Zum Beispiel die historische Frage: Ist das wirklich so passiert? Oder die natur­wissenschaftliche Frage: Kann sich tat­sächlich ein Meer teilen? Oder die humanistische Frage: Ist es in Ordnung, das feindliche Heer mit Mann und Maus (bzw. Pferd) zu ertränken? Und vielleicht fallen dir noch andere berechtigte Fragen ein. Dazu kann man viele gute und tiefgreifende Überlegungen anstellen und auch wichtige Ant­worten finden.

Aber vielleicht gehen sie etwas an dem vorbei, warum uns dieser Text über die Jahrhunderte überliefert wurde und uns immer wieder beschäftigt. Die Wirklichkeit oder Wahr­heit dieses Textes hängt nicht daran, ob wir die obigen Fragen zu unserer Zufriedenheit beant­wortet bekommen. Sondern zuerst geht es um Gott und uns. Sagt uns dieses Bibelwort etwas über unseren Glauben? Leuchtet es hinein in unsere Erfahrungen mit Gott im Alltag? Und mit „uns“ meine ich jetzt dich und mich persönlich, aber auch uns als Gemeinde auf dem Weg.

Es kann gut sein, dass wir so etwas schon erlebt haben: Da starten wir in einen neuen Lebensweg, ein neues Projekt mit viel Freunde und Einsatz. „Nimm ein, nimm ein das gute Land, das Gott dir gibt!“ – so haben die Alten unter uns früher gesungen. Und fröhlich geht es los. Und tatsächlich, die ersten Schritte in die ungewisse Zukunft gelingen. Es schließen sich andere an, es gibt Bestätigung und Unterstützung auf vielen Ebenen. „Ein neuer Tag und ein neuer Morgen, und wieder bring ich dir mein Lob. Was heut vor mir liegt und was immer auch geschehn mag: lass mich noch singen, wenn der Abend kommt.“ – so singen wir heute.

Doch – Überraschung! – auf einmal gibt es Schwierigkeiten. Erste Zweifel melden sich. Der schnelle Erfolg bleibt aus. Gegen­wind macht sich breit. Türen schlie­ßen sich. Ein steiler Anstieg kann mit einem fröhli­chen Lied auf den Lippen gemeistert werden; für die Mühe der Ebene braucht es Aus­dauer und den langen Atem. Und auf einmal finden wir uns in dem Volk Israel vor dem Schilfmeer wieder. Wir haben uns in eine Sackgasse hineinmanövriert. Zurückdrehen lässt sich die Geschichte nicht mehr, aber auch weiter voran tut sich nichts. Massive Zweifel tun sich auf: Sollte Gott wirklich gesagt haben? Haben wir tatsächlich genug gebetet und auf Gottes Willen gehört? Oder ist das alles nur unser Ding gewesen, was hier krach­end scheitert?

Welche Antwort gibt uns das Bibelwort? Mose sagt als der Sprecher Gottes: Fürchtet euch nicht! Bleibt stehen und schaut zu, wie der HERR euch heute rettet! … Der HERR kämpft für euch, ihr aber könnt ruhig abwarten. (2. Mose 14,13-14) Der Glaube, also das Vertrauen in Gott, zeigt sich hier nicht in vermehrtem Tun, in noch härterer Arbeit. Gemäß dem alten Manager­spruch: „Als wir das Ziel endgültig aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsere Anstren­gungen.“ Sondern wir werden zu einer Änderung der Blickrichtung ermutigt. Wir sollen nicht mehr auf das Problem blicken, sondern sehr passiv mit viel Geduld und Vertrauen auf Gottes Handeln warten. Nachfolge Jesu bedeutet nicht, dass Jesus uns nachläuft, sondern dass wir ihm hinterhergehen. Und das geht manchmal nur mit Abwarten und Zuschauen. Der HERR wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein. (Lutherübersetzung)

Nun denn. Als Gemeinde haben wir einige dicke Bretter zu bohren, also Themen zu bear­beiten und Entscheidungen zu treffen. Und in unserem persönlichen Alltag wird es nicht anders sein. Abwarten und Gott beim Tun zusehen ist nicht der Generalschlüssel für alles. Manchmal muss auch mutig gehandelt werden. Aber manch­mal ist es einfach dran, mutig nichts zu tun. Weil Gott schon längst handelt. Für diesmal ermutigt uns der Wochenvers zum Stillesein. Wollen wir um den langen Atem Gottes bitten: Veni Sancte Spiritus – Komm, Heiliger Geist!