Trinitatis
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen.
(2. Korinther 13,13)
Ist dir das auch schon mal passiert: Du suchst einen Fachmann oder eine Fachfrau auf, weil du eine fachliche Beratung benötigst. Und die haben viel geredet, und du hast nur Bahnhof verstanden? Vielleicht im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Rechtsanwalt. Weil diese Leute jede Menge Fachbegriffe nutzen, die ihnen total geläufig sind. Und sie merken gar nicht, dass ein normal gebildeter Mensch die gar nicht kennt, weil er eben nicht vom Fach ist. Da muss man dann nachfragen – wenn man sich traut. So ist es mir in einer Gesprächsrunde ergangen. Ich habe nachgefragt – und andere atmeten auf einmal erleichtert auf. Sie hatten auch nichts verstanden, trauten sich aber nicht, sich als womöglich ungebildet zu outen.
Der kommende Sonntag hat im Kirchenjahr die Bezeichnung „Trinitatis“. Das ist so ein lateinischer Kirchen-Fachbegriff, den man auch nicht so gleich versteht. Man übersetzt ihn am besten mit „Dreieinigkeit“. Das ist mit dem Wörterbuch recht schnell erledigt, aber worum handelt es sich eigentlich? Es geht um den einen Gott, der sich offenbart hat als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Wir betreten damit recht unsicheres Gebiet, das man nicht so richtig verstehen kann. Wir können uns einem Verstehen nur annähern. Wir wollen dabei zwei Wahrheiten zusammenhalten, die sich aber eigentlich nicht vertragen: Wir glauben an einen einzigen und alleinigen Gott (Monotheismus), also auf gar keinen Fall an mehrere Götter (Polytheismus). Und zugleich glauben wir an Gott, den Vater, an Gott, den Sohn und an Gott, den Heiligen Geist. Wir sprechen von drei Personen oder Wesensheiten oder Offenbarungen oder Erscheinungen Gottes, und merken, wie das alles Hilfskonstruktionen sind. Irgendwie sprengt es unsere Möglichkeiten, das geistig zu erfassen.
Vor vielen Jahren hatte ich mich mit einigen gut trainierten Zeugen Jehovas unterhalten. Die halten von der Trinität ja nun gar nichts, haben die gerade genannte Spannung also dahin aufgelöst, dass für sie Jesus eben nicht Gottes Sohn ist. Und mit dem Heiligen Geist können sie noch weniger anfangen. Als sie argumentierten, dass die Trinität gar nicht in der Bibel vorkommt, war ich natürlich dagegen. Aber bei genauerer Betrachtung muss man ihnen in gewisser Weise recht geben. Das Wort kommt nicht vor und die Sache wird auch eher angedeutet. Eine Lehre von der Dreieinigkeit werden wir in der Bibel vergeblich suchen.***
In unseren Bibelübersetzungen finden wir trinitarische Formeln und Andeutungen wie das Segenswort in unserem Wochenvers. Ein anderes Beispiel ist der Sendungsauftrag Jesu in Matthäus 28,18-20: Tauft die Menschen auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes! Wir werden aber in der Bibel keine Aussage finden wie „Gott ist der Vater, der Sohn und der Heilige Geist“ oder „Wir beten Gott an als den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist.“ oder so ähnlich. Und es wird uns auch nicht erklärt, wie wir das verstehen können. Sondern es wird uns von Gott erzählt. Als dem Vater, als dem Sohn, als dem Heiligen Geist.
Was er gesagt, gemacht, getan hat. Eine Lehre von der Trinität wurde erst in den ersten Jahrhunderten der Christenheit ausgearbeitet. Und das war auch nicht so einfach, es gab viel Streit und Diskussionen.
Was kann das für uns bedeuten? Für mich ist das ein Beispiel, wie ich mit Lücken leben lernen muss. Auch wenn ich etwas nicht verstehe, kann ich doch gleichzeitig daran glauben und diesen Glauben leben. Ich verstehe nicht, wie das so ist mit Gott als Schöpfer des ganzen Universums. Trotzdem kann ich mich in ihm geborgen wissen inmitten einer unübersichtlichen Welt. Ich verstehe nicht, wie das so war mit Jesus als ganzer Mensch und ganzer Gott. Trotzdem kann ich mich in dem Menschen Jesus ganz wiederfinden und trotzdem zu ihm beten, von ihm als dem erhöhten Herrn alles erwarten. Ich verstehe nicht, wie das so ist mit dem Heiligen Geist als Person. Trotzdem kann ich ihn bitten, mich im Namen Jesu zu leiten, mich in meinem Herzen auszufüllen mit der Liebe Gottes. Und das sind nur ein paar kleine Beispiele.
In diesem Zusammenhang ist mir 1. Korinther 13,9 wichtig geworden: Stückwerk ist unser Erkennen, Stückwerk unser prophetisches Reden. Die Lücken in unserer Wahrnehmung beziehen sich also nicht nur auf unser menschliches Erkennen, sondern auch auf unsere geistliche Deutung der Wirklichkeit. Das griechische Wort, das mit Stückwerk übersetzt wird, meint eigentlich einen Teil vom Ganzen. Unser Erkennen ist nicht falsch, aber es kann immer nur einen kleinen Teil vom großen Ganzen wiedergeben. Und wenn wir die vielen verschiedenen Teile zusammentragen, wird das Gesamtbild etwas klarer, aber niemals vollkommen.
Ich möchte dich und uns ermutigen, Spannungen auszuhalten, sie nicht vorschnell in einfache Antworten aufzulösen. Es braucht heutzutage mehr denn je Menschen, deren Sicherheit in der Beziehung zu Gott liegt. Und nicht darin, dass alles in ihrer Wahrnehmung, Erkenntnis und Gefühlswelt stimmig zueinander passt. Die Gefahr ist zu groß, dass mit Gewalt alles passend gemacht werden muss. Sondern wir dürfen im Segen Gottes leben: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.